Besseres Wachstum, tolles Polypenbild und vitale Korallen
Hallo liebe Meerwasser-Aquarianer und herzlich Willkommen im ersten Artikel aus der Serie „Pro-Series“. Mit unserer Pro-Series möchten wir diverse Themen etwas detaillierter beleuchten und somit einen tieferen Einblick in die unterschiedlichsten Themen geben. Wir möchten versuchen so tief wie nötig und gleichzeitig so einfach wie möglich zu bleiben. Du hast Fragen oder Anregungen, dann nutze doch unsere Kommentarfunktion am Ende des Artikels – wir freuen uns darauf.
In unserem ersten Artikel geht es um das Thema pH-Wert. Der pH-Wert wird von vielen Aquarianern unterschätzt und meist gar nicht ausreichend überwacht. In unseren Internet-Recherchen konnten wir viele Becken finden, die meist nicht mal über einen pH-Wert von 8 gekommen sind – selbst tagsüber. In unserem eigenen Ablegerbecken haben wir morgens ca 7,7 und abends ca 8,3 gemessen. Dabei ist der pH-Wert neben der Salinität und der Temperatur ein sehr wichtiger Wert.
Achtet beim pH-Wert darauf, eure Sonde regelmäßig zu reinigen und zu kalibrieren – wir machen das alle zwei Monate. Verwendet hierzu die Kalibrierungsflüssigkeiten 7 pH und 10 pH, da diese besser in unserem Spektrum (8,35) liegen als 4 pH und 7 pH.
Wir konnten bei unserem bisherigen pH-Experiment besseres Wachstum, expandierte Polypen und generell ein vitaleres Korallenbild feststellen. Wir haben unseren pH-Wert mit der Zugabe von Kalkwasser und einem Atemkalk-Reaktor stabilisieren können. Ein eigener Artikel zum Thema Kalkwasser wird noch folgen.
Was ist der pH-Wert?
Erklärung und Definition
Der pH-Wert zeigt uns an, wie sauer oder basisch unser Wasser ist. Bei einem pH-Wert von 7 spricht man von neutral. Alle Werte unter 7 sind sauer und alles über 7 hingegen basisch (alkalisch). In den Weltmeeren haben wir einen pH-Wert von 8,2 – dauerhaft und vor allem stabil.
Der pH-Wert wird sowohl in den Ozeanen, als auch in unseren Aquarien zum einen durch das CO2 (Kohlenstoffdioxid – eine Säure) und durch unsere Alkalinität (KH-Wert) beeinflusst. Wie und welchem Zusammenhang beides steht, werden wir noch näher erklären.
Die Definition des pH-Wertes:
Der pH-Wert (Abkürzung für Potential des Wasserstoffs, lat. pondus hydrogenii oder potentia hydrogenii) ist ein Maß für den sauren oder basischen Charakter einer wässrigen Lösung.[1]
Der pH-Wert wird definiert als die Konzentration der vorhandenen Protonen (H+) in einem Liter Wasser, die als negativer Logarithmus pro Liter angegeben wird. Je höher die Konzentration an Protonen (H+) ist, desto niedriger der pH-Wert.[2]
Diese Protonen wuseln jetzt nicht frei im Wasser, sondern verbinden sich sofort mit dem Wassermolekül (H20) zu einem Oxonium-Ion (H30+). Das Oxonium-Ion macht das Wasser sauer - also reduziert den pH-Wert. Die Oxonium-Ionen stehen immer in einer festen Verbindung zu den basischen Hydroxid-Ionen (OH-). Ist also das Verhältnis von Oxonium-Ionen und Hydroxid-Ionen 1:1, sprechen wir von einem ph-Wert 7 – und damit neutral. Sind mehr Oxonium-Ionen als Hydroxid-Ionen vorhanden, haben wir einen pH-Wert unter 7. Umgekehrt haben wir bei mehr Hydroxid-Ionen als Oxonium-Ionen einen pH-Wert über 7.[2]
pH-Wert Schwankungen
Woher kommen diese Veränderungen?
Vielleicht hat es der ein oder andere schon mal gesehen bzw. ist darüber gestolpert, dass der pH-Wert morgens, bevor das Licht an geht, besonders niedrig und abends bevor das Licht ausgeht, höher ist. Der Übeltäter für diese Schwankung nennt sich Kohlenstoffdioxid (CO2). Alle unsere Pfleglinge atmen Sauerstoff und produzieren CO2. Wenn jetzt das Licht eingeschaltet ist, können unsere Korallen durch Photosynthese das CO2 verbrauchen, der pH-Wert steigt. Anders verhält es sich jedoch nachts, wenn die Aquarienbeleuchtung ausgeschaltet ist. Alle Tiere müssen weiterhin atmen, jedoch haben wir durch die fehlende Photosynthese keine CO2 Verbraucher mehr – der pH-Wert sinkt.
In unseren Weltmeeren ist dieses Phänomen so nicht sichtbar, weil wenn es auf der einen Seite dunkel wird, geht auf der anderen Seite wieder die Sonne auf. Daher schwankt der pH Wert im Meer nur marginal. Hier streifen wir das Thema „Antizyklische Beleuchtung von Algenrefugien“.
Zu den im Aquarium befindlichen Vorgängen spielt auch die Umgebungsluft eine wichtige Rolle. Eine erhöhte CO2 Konzentration in unserer unmittelbaren Umgebung kann zur Übersäuerung des Aquariums führen (niedriger pH-Wert). Genauso wie die erhöhte CO2 Emission in unserer Atmosphäre zur Versauerung der Weltmeere führt, Stichwort: Umweltverschmutzung/Klimakatastrophe.
Auch offene Feuerstellen (Öfen und Kamine), Personenverkehr (Party-Effekt), Haustiere etc. führen zu einem erhöhtem CO2 Wert. Interessant ist hierbei die Messung mit einem elektronischen Helferlein. Wir können also festhalten: Wenn wir Säure unserem Becken zuführen, führt das „theoretisch“ unmittelbar zu einem Abfall des pH-Wertes und damit zu Schwankungen.
Theoretisch deswegen, weil wir ein Puffer-System haben – die Alkalinität.
Unser Puffersystem: Die Alkalinität
Oder auch „Säurebindungsvermögen“
Die Alkalinität oder auch der „KH-Wert“ ist eigentlich jedem Meerwasser-Aquarianer ein fester Begriff. Viele messen ihn regelmäßig und sind sich einig, dass dieser Wert wichtig ist. Aber was genau besagt dieser Wert eigentlich?
Einfach ausgedrückt: Die Alkalinität sagt aus, wieviel Säure zugegeben werden kann, ohne dass sich der pH-Wert verändert. Ein Puffer sozusagen, um Schwankungen zu dämpfen. Gehen wir ein bisschen ins Detail:
Im Meerwasser wird die Alkalinität zu ca. 97% durch Carbonate und Hydrogencarbonate erzeugt. Die restlichen 3% übernehmen Borsäure, Kieselsäure, Orthophosphate und Magnesium. Wir konzentrieren uns allerdings auf die 97% Carbonat und Hydrogencarbonat.[2]
Sowohl Carbonat als auch Hydrogencarbonat sind in der Lage Protonen (H+) oder Hydroxid-Ionen (OH-) aufzunehmen bzw. abzugeben und somit entweder die Säure oder die Base zu neutralisieren. Wir können also sagen, dass eine hohe Alkalinität dazu führt, dass bei einer Zugabe von Säure oder Base, der pH-Wert weniger schwankt. In unseren Aquarien hat sich ein Wert von 7-9° dKH als empfohlen herausgestellt.
Wir werden in einem späteren Artikel noch näher auf die Alkalinität eingehen.
Das Gleichgewicht
Carbonatspezies im Meerwasser
Auch auf die Form wie das CO2 im Wasser vorliegt hat der pH-Wert direkten Einfluss. Je niedriger der pH-Wert, desto höher ist der Anteil an gelöster Kohlensäure im Wasser. Je höher der pH-Wert, desto höher ist der Anteil an Carbonat im Wasser.
Wenn wir also unseren pH-Wert Richtung 8,35 verschieben, haben wir zudem eine höhere Konzentration an Carbonat-Ionen (CO32-) und weniger Hydrogenkarbonat/Bikarbonat (HCO3-). Der CO2 Anteil sinkt auf ein Minimum. Die Carbonat-Ionen können von der Koralle effizienter genutzt werden - dazu aber gleich mehr.
Diese Vorgänge hängen maßgeblich vom pH-Wert ab und passieren rasend schnell und automatisch. Je nach Charakter – also sauer oder basisch - des Wassers ändern sich die Anteile an gelöster Kohlensäure, Carbonat-Ionen und Hydrogencarbonat.
Korallenwachstum / Kalzifizierung
Was hat der pH-Wert damit zu tun?
Hierzu schauen wir uns kurz an, wie Korallen eigentlich wachsen bzw. ihr Kalkskelett aufbauen. Um das in der Wassersäule gelöste Calcium oder auch Calcium-Ion Ca2+ wieder zu ungelöstem Kalk zu fällen, hebt die Koralle den pH-Wert innerhalb ihres Gewebes an.
Im Optimalfall, insofern unser pH-Wert entsprechend hoch ist (ca. 8,35), ist die Konzentration an Carbonat-Ionen (CO32-) hoch genug, sodass die Koralle es direkt mit dem Calcium-Ion (Ca2+) zu Calziumcarbonat (CaCO3) fällen kann.
Ist unser pH-Wert niedriger, stehen weniger Carbonat-Ionen zur Verfügung und es wird ein Hydrogencarbonat-Ion (HCO3-) genutzt. Dort wird der Wasserstoff abgetrennt und aus dem Gewebe in die Wassersäule entlassen. Es bleibt das Carbonat-Ion (CO32-) übrig, welches mit dem Calcium-Ion (Ca2+) zu Calziumcarbonat (CaCO3) ausfällt.
Umso höher die Wasserstoff-Ion (H+) Konzentration im Umgebungswasser, umso schwerer tut sich die Koralle es aus dem Gewebe zu entlassen. Da das Wasserstoff-Proton (H+) sauer ist, verringert dieser Vorgang zusätzlich den pH-Wert im Gewebe und die Koralle muss noch mehr Energie aufwenden, um diesen anzuheben.
Durch die Kalzifizierung sinkt einerseits unsere Alkalinität, da ein Carbonat-Ion entnommen wird und andererseits auch die Calcium Konzentration, welche durch ein Versorgungssystem wieder zugeführt werden muss.
Es liegt also nahe zu sagen, dass umso optimaler der pH-Wert ist, umso leichter tun sich unsere Korallen zu kalzifizieren. Es ist also weniger Energie erforderlich, den entsprechenden pH-Wert zu erreichen, wenn man grundsätzlich schon höher startet. Haben wir also einem möglichst optimalen pH-Wert stabil und dauerhaft vorliegen, so können unsere Korallen auch stabil und konstant wachsen. Konstantes Wachstum bedeutet wiederum auch eine natürlichere Wuchsform.
Der pH-Wert hat also direkten Einfluss auf das Wachstum unserer Korallen. Hierzu findet man auch viele wissenschaftliche Texte im Internet. Denn die Erhöhung des CO2 in der Atmosphäre hat unmittelbaren Einfluss auf den pH-Wert der Weltmeere und damit einhergehend auch auf die Vitalität der Korallenriffe.
Wir vermuten, dass die freigewordenen Energiekapazitäten dazu führen, dass die Korallen vitaler stehen und sie diese Energie für andere Prozesse (Farbausbildung) nutzen können.
pH Stabilisierung, Übersäuerung, Untersäuerung
Welche Möglichkeiten und Ursachen gibt es?
Nachdem wir nun wissen, welche Vorteile es uns bietet den pH-Wert zu stabilisieren, möchten wir euch ein paar Möglichkeiten vorstellen. Der maßgebliche Treiber für die potenzielle Übersäuerung unseres Beckens ist Kohlenstoffdioxid (CO2), dieses wird wie bereits beschrieben durch unsere Fische und die Umgebungsluft dem Becken zugeführt. Unser Fokus liegt also auf der Reduzierung des CO2. Aber zuallererst: Prüft eure Sonden, reinigt diese und kalibriert sie.
Gründe für eine Übersäuerung (niedriger pH-Wert):
- Alkalinität stark gefallen
- Zersetzung von toten Tieren oder Futterresten?
- Ungenügender Gasaustausch (Oberflächenströmung)
- Abschäumer defekt
- Zu hoher Tierbesatz in Relation zur Korallenmenge
Gründe für eine Untersäuerung (zu hoher pH-Wert):
- Alkalinität zu hoch
- Ungenügender Gasaustausch (Oberflächenströmung)
- Zu hoher Korallenbesatz in Relation zur Fischmenge
- Stabilisierungsmaßnahme überdosiert (Kalkwasser)
Für einen zu geringen pH-Wert können folgende Maßnahmen Abhilfe schaffen:
CO2 Konzentration in der Umgebungsluft reduzieren
Die wahrscheinlich leichteste Variante ist, die Kohlenstoffdioxidbelastung im Raum zu reduzieren. Hier hilft regelmäßig lüften – vor allem im Winter. Pflanzen können ebenfalls helfen durch Photosynthese die CO2 Belastung zu reduzieren.
Atemkalk-Reaktor
Der Atemkalk-Reaktor entzieht der durchströmenden Luft das CO2. Nach und nach wird sich der Atemkalk dann von weiß zu lila färben, da er zunehmend mit CO2 gesättigt wird. Der Atemkalk-Reaktor wird normalerweise direkt an den Lufteinlass des Abschäumers angeschlossen. Damit lässt sich ebenfalls der pH-Wert stabilisieren. Nachteil sind die regelmäßigen Kosten für neuen Atemkalk.
Kalkwasser-Dosierung
Das Kalkwasser wird hergestellt, indem man ca 1,7g Calcium-Hydroxid auf 1 Liter Osmosewasser zu gibt. Die Löslichkeit ist wie man sehen kann sehr gering. Im Endeffekt kann es nicht falsch angemischt werden, da sich das ungelöste Calcium-Hydroxid auf dem Boden absetzt und beim nächsten Auffüllen wieder teils zurücklöst. Die hergestellte Kalkmilch hat einen pH-Wert von 12 und ist somit sehr alkalisch bzw. basisch. Weiterer Vorteil einer Kalkwasser-Dosierung ist, dass zu der pH-Stabilisierung auch noch eine Supplementierung der Alkalinität und Calcium stattfindet.
Antizyklische Beleuchtung
Bei dieser Stabilisierungsmöglichkeit versuchen wir die natürlichen Gegebenheiten nachzuahmen. Wenn im Hauptbecken das Licht ausgeht und somit keine Photosynthese mehr möglich ist, schaltet sich im Algenrefugium die Lampe an und sorgt dort für CO2 Verbrauch. Beide Bereiche laufen antizyklisch. Damit lässt sich der pH-Wert ebenfalls etwas stabilisieren. Um allerdings ein optimales Ergebnis zu erzielen, müsste der CO2 Verbrauch dem CO2 Eintrag der Fische entsprechen und das Algenrefugium entsprechend groß dimensioniert sein. Hinweis: Durch die antizyklische Photosynthese wird aber zusätzlich in die Biologie des Beckens eingegriffen, denn die Algen, die dazu genutzt werden, verbrauchen ebenso Nährstoffe etc.
Euch hat der Artikel gefallen und ihr möchtet mehr von dieser Art lesen? Dann lasst uns doch einen Kommentar mit eurem Themenwunsch hier. Wir freuen uns riesig 😊.
[1] vgl. Wikipedia 2022, https://de.wikipedia.org/wiki/PH-Wert
[2] vgl. Ratgeber Meerwasserchemie „Theorie & Praxis für Aquarianer“, Armin Glaser, 2008
Bin sehr gespannt, was noch folgen wird 😊
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Schon immer hat sich Tobias ein Meerwasser-Aquarium gewünscht. 2018 war es dann soweit - der erste Nanowürfel wurde angeschafft. Seitdem ist er vom Meerwasser-Virus infiziert. Aktuell pflegt er sein privates 525XL und eine weitere SPS-Zuchtanlage und lebt dieses Hobby umso intensiver.
Wir konnten leider keine Ergebnisse finden.
Möglicherweiße helfen folgende Tipps:
- Achte darauf, dass alle Wörter richtig geschrieben sind.
- Probiere es mit anderen Suchbegriffen.
- Probiere es mit allgemeineren Suchbegriffen.